7 Tage Overland-Trekking

 
Reportage von Matthias Grallert
 

Matthias aus Oldenburg und seine Wanderpartnerin Sabine haben sich auf die 7-tägige Tour gemacht. Matthias berichtet über die grandiosen und doch so unterschiedlichen Landschaften, gibt Eindrücke zu den Übernachtungsmöglichkeiten in einfachen Berghütten wieder und reichert das Ganze mit großartigen Fotos an.

Vorbereitungstag

Am 5.12. breche ich mit Sabine, die ich im Narrara Backpackers in Hobart kennen gelernt habe, in ihrem Auto (namens „Jack") gegen 14 Uhr von Hobart Richtung Lake St. Clair auf, dem südlichen Ende des Overland Tracks. Dort wollen wir das Auto für eine Woche parken und am nächsten Tag den Bus nach Cradle Mountain, dem nördlichen Ende (für uns der Anfang) des Tracks fahren.
Dort werden wir Andre treffen, den dritten in unserer Track-„Party", und dann quasi 7 Tage „zum Auto zurück" laufen.

Im Gepäck habe ich 7 Nudelgerichte für jeweils 98 Cent von Woolworths, 10 Tomatensuppen, 1 Dose Instantkaffee, 1 rolle Vitaminbrausetabletten, 10 Brühwürfel, 16 Müsliriegel, 2 Tafeln Bitterschokolade, 5 kleine Päckchen Rosinen, Kocher, Topf, Besteck, Taschenlampe, Teller, Schlafsack, Isomatte, Waschzeug, Toilettenpapier, Wollmütze, Handschuhe, Regenjacke, Regenhose, Fleecepulli, Kopftuch, 2 Paar Socken und Unterhose zum wechseln, 2 T-shirts zum wechseln, 1 lange Unterhose, Tasse und mehr fällt mir gerade nicht ein ...

Später wird sich herausstellen, dass ich viel zu wenig Essen dabei habe, keine Badelatschen für die Hütten, dass die Isomatte zu dünn und hart ist und der Schlafsack auch etwas dicker hätte sein können.
 

 

Nach ca.3 Stunden Fahrt kommen wir am Lake St. Clair an und checken dort für 12 Dollar (2 Personen mit Zelt/Auto) am Campground ein. Dann reservieren wir zur Sicherheit telefonisch 2 Plätze für den Bus nach Cradle Mountain. Die Fahrt kostet mich mit YHA-Discount 36 Dollar, Sabine zahlt etwas über 40 Dollar ohne Discount.

Am Lake St. Clair ist es an diesem Abend bitterkalt. Gott sei Dank darf man Feuer machen. Trotzdem ziehe ich meine komplette Ausrüstung an; also Jacke, Mütze etc.
Nach ein paar Bierchen, die man übrigens relativ günstig im 5 km entfernten Hotel-Pub in Derwent Bridge kauft (zu teuer am Visitor Centre), schlüpfen wir gegen 22 Uhr schon reichlich durchgefroren in die Schlafsäcke. Trotz dem extra im Second-Hand-Laden in Hobart erworbenen, etwas dickeren Schlafsack und meinen tollen langen Unterhosen („Long Johns"), friere ich die ganze Nacht hindurch.

Um 8 Uhr klingelt der Wecker (das Handy). Es ist immer noch bitterkalt. Auch Sabine hat die ganze Nacht gefroren. Schnell ins Duschhäuschen und frisch gemacht, letzte Rasur für die nächsten 7 Tage. Wir packen die letzten Dinge und verstauen überflüssiges im Auto.
 

 

Um 10 Uhr kommt der Bus. In der Zwischenzeit zeichnet sich endlich ein sehr schöner/heißer Tag ab, obwohl man das auf Tassie nie so genau weiß, denn das Wetter ändert sich innerhalb von einer Stunde komplett.
Heute ändert sich jedoch mal nix. Es wird schön warm und nach ca.5 Stunden Busfahrt mit Stopps/Umsteigen in Queenstown und Tullah kommen wir endlich in Cradle Mountain an, wo wir am Campground herausgelassen werden, der ein paar km vom Visitor Centre entfernt ist. Gut, dass wir den Busfahrer vorher informiert haben.

Am Eingang wartet wie verabredet Andre, der nun schon seit 2 Tagen am Cradle Mountain auf uns gewartet hat.
Es ist mittlerweile richtig schön heiß und wir bauen unser Zelt auf dem staubigen Zeltplatz auf. Drei Leute und ein 3-Mann-Zelt, da müssen die 3 Rucksäcke halt draussen stehen bleiben.
Auf den 2. Blick stellt sich der Campground als supernett heraus. Die Waschhäuser und Küchen sind beeindruckend - für einen Campingplatz jedenfalls.

Andre führt uns durch einen Waldweg in ca.30 Minuten zum Visitor Centre, von wo aus wir telefonisch den Bus für den nächsten Tag vom Campground zum Start des Overland Tracks reservieren. Der ist nämlich noch mal 7km entfernt und der Bus kostet uns 10 Dollar pro Nase und fährt um 10 Uhr ab.
Angeblich fahren mittlerweile (16.12.) auch kostenlose Busse. Na toll, wir waren wohl doch noch nicht in der "High Season"??
Zurück im Camp wird kurz die Route besprochen und bei Bierchen und Tütenreis, sowie Kartenspielen ("Shithead", das Spiel für die nächsten Tage) der Abend gemütlich beendet. Staunend sehe ich beim Abendbrot, was Andre so alles dabei hat: Kakaopulver, Milchpulver, Müsli, Tee... alles in kleinen Tütchen verpackt. Ich lache, werde aber bald neidisch sein.

Die Nacht ist Gott sei Dank nicht so kalt, wie die vorherige.


Tag 1

Um 8 Uhr wachen wir ohne Wecker auf, frühstücken in Ruhe (Tütenreis), bauen das Zelt ab und steigen pünktlich um 10 Uhr in den Bus.
Der Busfahrer erzählt, dass er noch ca. 20 Leute erwartet, die mit einem Reisebus direkt von der Devenport Fährstation anreisen und loslaufen wollen. Wir sollen unsere Rucksäcke als letztes in den Anhänger packen, damit wir als erstes wieder herankönnen und somit auch als erstes VOR den anderen loslaufen können.
Die Gruppe stellt sich als 20köpfige Schulklasse aus Sydney heraus: 2 Lehrer und 18 Kids um die ca.16 Jahre. Erfolgreich stellen wir unsere Rucksäcke als letztes in den Anhänger.

Auf der kurzen Fahrt erzählt der Busfahrer über Mikro einiges über die Region und den Track. Auf halber Strecke auf der engen Strasse kommt uns ein Mietwagen entgegen. Es dauert ewig, bis der Wagen an unserem Bus vorbei ist, obwohl genügend Platz ist. Die Frau aus dem Wagen steigt sogar aus und signalisiert ihrem Mann im Auto, wie er an uns vorbeifahren soll. Unser Busfahrer macht ohne Ende Witze über das Pärchen und bewegt den Bus keinen Stück weiter. Die Situation ist wirklich skurril. Wir lachen.

Endlich am Track angekommen sind wir die Ersten an den Rucksäcken, registrieren uns im Logbuch für den Walk und laufen los. Die erste Strecke besteht fast ausschließlich aus Boardwalk durch Buttongrass. Später geht es dann bergauf, am Crater Lake vorbei, zum ersten Lookout am Cradle Mountain (Marions Lookout).

Es ist die ganze Zeit recht bewölkt und will nicht so richtig warm werden. Daher ist der Ausblick leider nicht sooo spektakulär.
 

 

Nach dem Lookout geht es leicht bergab. Langsam klart das Wetter auf und als wir an der "Kitchen Hut", einer Notunterkunft für schlechtes Wetter ankommen, zeigt sich der Cradle Mountain endlich vor blauem Himmel.Wir wandern weiter. Es ist hier immer noch alles voll mit anderen Wanderern, die nur einen Tagesausflug zum Cradle Mountain machen. Wir sind die einzigen mit einem schweren Rucksack, sind aber meistens trotzdem schneller.

Wir lassen unsere schweren Rucksäcke in der Hütte und brechen mit Wasser und Regenjacke für alle Fälle zum ersten Sitetrip auf, eben zum Cradle Mountain Gipfel (1545m).

Der Trip dauert ca. 2.5 Stunden hin und zurück (bzw. hoch und runter). Es beginnt leicht steil, wird dann immer steiler. Am Ende muss man richtig klettern, über große Felsen und sogar kleinere Schneefelder.
Es ist aber nicht sooo schwierig, sogar Kinder und Rentner treffen wir am Gipfel. Gott sei Dank ist von der Schulklasse nichts zu sehen. Vom Gipfel haben wir einen atemberaubenden Ausblick auf die Umgebung.
Nach dem Abstieg machen wir kurz Müsliriegelpause und wandern dann weiter in Richtung erste Nachtunterkunft: Waterfall Valley Hut.
Es geht immer wieder leicht berauf und bergab, um uns herum Panoramablick. Wir können gar nicht genug Fotos machen. Ich komme mir vor wie in "Lord of the rings".

Nach insgesamt ca. 5 Stunden kommen wir dann doch recht geschafft an der Hütte an und sehen schon von weiten die Schulklasse, die aber Gott sei Dank in Zelten übernachtet und uns somit keines der 16 "Bunk beds" wegnimmt.
 

 

In der Hütte gibt es, wie in allen anderen Hütten auch, eine begrenzte Zahl von Etagenbetten, einfache Brettgestelle ohne Mattratze, auf denen man mit Isomatte und Schlafsack schlafen kann. Aber halt etwas wind- und regengeschützter als im Zelt. Falls es zu kalt wird (ab unter 10 Grad), darf man auch einen vorhanden Ofen anmachen (Kohle oder Gas ist immer vorhanden).
Kochgelegenheiten gibt es natürlich keine, auch keinen Strom oder so. Man kocht mit Campingkochern. Hinter der Hütte sind Regenwasserbehälter, die Toiletten sind einfache "Biotoiletten" (nach dem "Geschäft" muss man Holzspäne hineinwerfen...)

Die Hütte ist trotz der campierenden Schulklasse recht voll. Es stellt sich heraus, dass noch eine kleinere Schulklasse unterwegs ist: 11 Personen, davon 2 Lehrer und 8 Mädchen zwischen 14 und 17 (geschätzt). Außerdem treffen wir 2 Rentner und einen weiteren Deutschen: Bert, der witzigerweise eine Flasche Rotwein mitgeschleppt hat und einsieht, dass die Idee dann doch nicht so doll war, denn man muss sämtlichem Müll wieder mitnehmen. Es gibt auf dem gesamten Track keine einzige Mülltonne.

Auf der Hütte selbst sind 2 freiwillige Rangerhelfer. Nur auf dieser Hütte sind sie fest da, um die Wanderer am Anfang des Tracks (80 Prozent der Leute wandern, wie wir, von Nord nach Süd) noch mal einzuweisen, wie man sich zu verhalten hat etc. Auf dem Rest des Tracks sind die Hütten dann normalerweise ohne Ranger. Es sind jedoch ständig Ranger auf dem Track selbst als Wanderer unterwegs, um nach dem Rechten zu schauen.

Die Rangerhelfer, ein älteres Rentnerehepaar, erzählen uns viele interessante Dinge.
Wir sehen Wallabies und Wombats. Nachts kommt dann sogar ein Possum in die Hütte, weil die Tür nicht zu war.

Fast alle Schüler haben die Füsse voll mit Pflastern und Bandagen. Sie haben sich Blasen gelaufen. Na das kann ja heiter werden.
Wir lassen den Tag ausklingen und mit Einbruch der Dunkelheit gehen dann auch alle schlafen. Da man kein Licht auf den Hütten hat und die meisten sowieso k.o. sind und am nächsten Tag früh raus wollen.... Gegen 21:30 / 22:00 Uhr ist also Schicht im Schacht...
Ich schlafe diese erste Hüttennacht relativ gut, wenn auch recht hart (zu dünne Isomatte).


Tag 2

Um 6 Uhr stehen die ersten auf. Wir bleiben noch liegen bis der erste Packlärm vorbei ist und frühstücken dann in Ruhe (Kaffee, Tomatensuppe, Brühwürfel, Müsliriegel).
Gegen 10 Uhr brechen wir auf. Wir sind die letzten, nur noch die Schulklasse baut ihre Zelte ab.
Da wir irgendwie schneller laufen, überholen wir aber nach und nach wieder alle Leute. Ich zwinge mich, etwas langsamer zu laufen, schließlich haben wir massig Zeit (ca. 5 Stunden heute) und die Landschaft ist einfach atemberaubend.

Eine Stunde nach Waterfall Valley Hut erreichen wir langsam offenes Moorland mit Buttongrass.
 

 

Meistens führt der Weg über so genannte Duckboards (Brettersteg, damit man nicht durch Matsche laufen muss. Ich dachte anfangs "duck", weil die alten Bretter so quietschen ... Aber die heißen so, weil im 2. Weltkrieg australische Soldaten in den Schützengräben den Boden mit solchen Brettern ausgelegt haben, um nicht im Matsch zu versinken ... So hat es jedenfalls ein Australier erklärt.)

Wir erreichen die Abzweigung zum Sitetrip nach Lake Will und den Innes Falls (2 Stunden Return) und folgen dem Weg weiter durch matschiges Gebiet, jetzt ohne Duckboards.

Der Weg ist nicht mehr so eindeutig erkennbar, da es viele Trampelpfade durch Leute, die dem Matsch auszuweichen versuchen gibt. Andre bleibt auf dem Hauptweg und bleibt prompt stecken. Bevor ich ihm aufhelfe, mache ich natürlich erst ein Foto.

Nach einem Sitetrip vom Sitetrip ("Ich glaube hier geht's lang, oder doch nicht?") erreichen wir Lake Will und machen es uns am Ufer (weißer Sandstrand) gemütlich. Ich koche erst einmal Kaffee.
Wir folgen dem Ufer des Sees und erreichen nach einer Weile die Innes Falls. Wieso Mehrzahl? -Ein kleiner Wasserfall.

Auf unserem Rückweg zum Haupttrack, dem wir dann weiter durch offene Landschaft folgen, ziehen langsam Wolken auf. Es bleibt aber trocken.
Hinter einer kleinen Anhöhe geht es steil bergab und wir sehen Lake Windermere, umringt von Eukalyptuswäldchen. Sabine sagt nur noch "das ist sooo schöööön" und macht unzählige Fotos. Ich beherrsche mich, schließlich ist gerade mal der 2. Tag und ich habe schon 1.5 Filme voll.

Nach diesem lockeren Tag erreichen wir Windermere Hut.
Die beiden Schulklassen sind schon da, da sie den Sitetrip zum Lake will ausgelassen haben. Da die große Gruppe wieder campt, bleiben ausreichend Bunkbeds für uns übrig.
 

 

Gerade in der Hütte angekommen, beginnt es leicht zu regnen. Das nenne ich Glück.
Wir lassen den Tag easy mit Tee, Kartenspielen und dem 18-Uhr-Nudelgericht-Kochritual ausklingen.
Mit Einbruch der Dunkelheit legen sich alle schlafen. Der Lehrer der Mädchengruppe schnarcht wie ein Weltmeister, was mich aber nicht weiter stört.


Tag 3

Die Mädchengruppe steht sehr früh auf (6 Uhr!) und räumt intelligenterweise erstmal komplett all ihre Rucksäcke aus und wieder ein. Bei dem Tütengeraschel ist nicht mehr an Schlaf zu denken.
Andre schaut mich fragend vom Bunkbed gegenüber an: "Bauen die hier die Hütte ab??"
1.5 Stunden später kommt die Gruppe endlich los. Nach Hunderten von Hinweisen des Lehrers. Von wegen, wenn es kalt wird Mütze auf und dass der vor ihnen liegende Tag sehr schwer wäre und all so was. Wir fragen uns, was uns da wohl heute erwarten mag. Muss ja wirklich superfies sein. Klingt jedenfalls so.

Nach meinem bekannten Tomatensuppe-Brühwürfel mit Kaffee Frühstück brechen wir gegen 9:30 Uhr auf. Es ist recht kalt draussen und sehr nebelig, jedoch kein Regen.
Aus dem Eukalyptuswald heraus erreichen wir das Pinne Formest Moor. Es ist sehr nebelig und ungemütlich windig. Mir wird recht kalt und ich denke an die Worte des Lehrers: "Mütze auf!".
Wegen des Nebels sehen wir nicht viel von der Landschaft um uns herum. Die Atmosphäre ist dennoch auf ihre Art und Weise spektakulär: Moor und Nebel passen halt prima zusammen.
 

 

Der Weg führt uns zurück in ein Wäldchen. Es ist recht matschig und die Baumwurzeln sind sehr glitschig. Durch die Bäume hindurch sehen wir jedoch, dass das Wetter langsam aufklart.

Gegen Mittag haben wir wieder strahlenden Sonnenschein und passend mit einem langen, recht steilen Anstieg ist es auch wieder wunderschön warm.
Auf dieser anstrengenden Passage holen wir wieder einige Schüler mit Blasen am Fuss ein sowie eine Rentnertruppe, die sich langsam den Berg hochquält.

Wir machen eine kleine Pause nach dem Anstieg, bevor wir das letzte Stückchen zur New Pellion Hut laufen.
Kurz vor der New Pellion Hut führt eine Abzweigung zur Old Pellion Hut und einem kleinen Wasserloch zum planschen.

Ich laufe schon vor zur New Pellion Hut, die sich als riesige Hütte (locker 30-40 Bunkbeds) mit Veranda und Panoramablick herausstellt.
Leider hat uns die Schulklasse während unseres Old Pellion Hut Sitetrips wieder überholt und da sie am nächsten Tag einen Tag "frei" haben, also 2 Nächte auf der Hütte bleiben wollen, haben sie sich dieses Mal in der Hütte breit gemacht, so dass von den unzähligen Betten nur noch eines frei war.

Höflich überlassen Andre und ich es Sabine. Andre ist eh noch genervt vom Geschnarche des Lehrers und wir schlafen einfach diese Nacht in der Küche auf dem Fussboden. Der ist schließlich nicht härter als die Bunkbeds.
 


Tag 4

Um 5:30, gerade mal Sonnenaufgang, wache ich von Schritten und Geraschel auf und traue meinen Augen nicht: ein Opi kocht am Tisch direkt neben unserem Nachtlager sein Frühstück und stampft hin und her. Die komplette, riesige Küche mit 6 oder 7 Tischen ist leer und er gesellt sich ausgerechnet direkt neben uns. Na ja, schon komische Leute unterwegs...
Später erfahre ich, dass genau dieser Opi in der Nacht wohl den Schnarchlehrer wegen dem Geschnarche angeschnauzt hat und sogar eine Frau, die ein paar Betten weiter mit einer Taschenlampe gelesen hat. Da waren wir in der Küche ja noch milde weggekommen.

Leider zeichnet sich an diesem morgen ein Regentag ab. Es beginnt zu nieseln, gerade heute, wo wir doch den Mt Ossa, den höchsten Berg Tasmaniens (1617m) erklimmen wollen. Egal, ich bleibe optimistisch.

Mittlerweile wird mir klar, dass ich zu wenig Essen dabei habe. Vor allem zum Frühstück habe ich nichts Brauchbares. Tomatensuppe mit Brühwürfel mag für 2 oder 3 Tage okay sein, aber nicht für eine ganze Woche.

Ich bekomme schon vormittags wieder Hunger und muss auf Müsliriegel und Schokolade zurückgreifen, die eigentlich für unterwegs bzw. mittags zur Stärkung gedacht waren. Noch dazu trinke ich heute Morgen den letzten Kaffee, die Dose ist alle...AAAAAHHH!!!! Aber da muss ich nun durch. Versuche das Beste daraus zu machen.
 

 

Andre und Sabine helfen mir mit Kakao, Tee und Keksen, haben aber natürlich auch nur begrenzt Nahrung dabei. Glücklicherweise treffen wir an diesem Morgen auf der Veranda einen jungen Sydney-Guy, der uns fröhlich vollplappert und dabei eine Packung Waffeln verdrückt. Er ist mit einer kleinen Gruppe von Freunden und "Onkel Steve" unterwegs (kein echter Onkel, sie nennen ihn nur alle so, irgendwie...) und erwähnt u. a. was sie so alles zum Essen dabei haben. Beim Anblick meines "Frühstücks" bekommt er wohl Mitleid und schenkt uns eine Packung von seinen Waffeln, die wir hungrig verschlingen.

Als es dann endlich eine Regenpause gibt, wagen wir den Aufbruch und lassen die Schulklasse zurück, die schon lärmend Küche und Veranda eingenommen hat. Gott sei Dank bleiben sie 1 Tag hier und werden uns sicherlich nicht mehr einholen!

Der Weg ist anfangs recht easy. Es geht durch Wald, leicht bergab und bergauf, vom Regen ist es hier und da matschig. Kurz vor der Abzweigung zum Mt Ossa (ca. 2 Stunden von New Pellion Hut entfernt) geht es noch einmal ein gutes Stückchen sehr steil bergauf. Ich bin ausser Puste und schwitze mein T-Shirt nass, so dass ich oben an der Mt Ossa Abzweigung, die recht ungeschützt ist und wo der Wind kühl weht, mein Shirt wechseln muss um mich nicht zu erkälten.

An der Abzweigung sind schon einige Leute. Die meisten haben den Mt Ossa schon am Vormittag erklommen, andere brechen gerade auf, andere überlegen noch, denn das Wetter sieht sehr unsicher aus. Es ist bewölkt und kann jederzeit wieder anfangen zu regnen. Egal, wir stellen unsere großen Rucksäcke ab und checken, ob alles Wichtige wasserdicht in Plastiktüten verpackt ist, denn es gibt hier keine Unterstellmöglichkeit.
Mit Regenzeug, Mütze, Handschuhen und Wasserflasche bewaffnet wagen wir den Aufstieg (2-3 Stunden Return).
 

 

Leicht bergauf nähern wir uns langsam dem Mt Ossa. Wie beim Cradle Mountain wird das letzte Stückchen dann sehr sehr steil, so dass wir die Hände zum Klettern zu Hilfe nehmen müssen. Die steile Passage am Mt Ossa ist jedoch wesentlich länger als beim Cradle Mountain. Ein paar kleinere Schneefelder müssen überquert werden.
Dann folgt wieder eine steile Kletterpassage, die zu dem sehr windig und vom Regen glitschig ist, also nicht ungefährlich! Hier fängt es leider an zu regnen. Da ich recht weit vorne bin, sehe ich nicht, dass Andre und Sabine stoppen. Ich klettere weiter, mir kommen ein paar Leute entgegen.
Noch weiter oben stehe ich plötzlich vor einem riesigen Schneefeld, steil ansteigend noch dazu. Es ist kalt und windig, es regnet nun richtig. So kurz vor dem Ziel will ich aber nicht aufgeben und meistere, meistens auf allen vieren rutschend auch diese letzte Passage vor dem Gipfel.
Oben angekommen hat es sich dann richtig eingeregnet und ich ziehe Regenhose (bissel spät, ich weiß), Mütze und Handschuhe an und stelle mich zwischen ein paar Felsen, wo ich einigermaßen wind- und regengeschützt bin.
Ich bin ganz alleine hier oben und etwas planlos, was ich nun tun soll. Den Abstieg wagen? Wird sicherlich rutschig und ungemütlich. Auf besseres Wetter warten? Die Wolken ziehen hier oben rasend schnell vorbei. Am Horizont sehe ich blauen Himmel. Vielleicht wird es ja bald besser, denke ich und warte einfach eine Weile ab.

Nach einer Weile regnet es etwas weniger, es ist jedoch keine echte Verbesserung in Sicht. Ich gehe also doch den Abstieg an. Mittlerweile ist es auch noch nebelig geworden. Das steile Schneefeld herunter rutsche ich einfach auf dem Hosenboden. So machen es hier anscheinend alle, denn es hat sich schon eine richtige "Rutschrinne" gebildet...YAHOOOO.

Durch die schlechte Sicht gehe (bzw. rutsche) ich immer wieder falsch. Ich übersehe die orangenen Richtungspfeile, die den Weg markieren und muss immer wieder umkehren und mich neu orientieren.
Einmal gibt ein Stück Schneefeld unter mir nach, jedoch nur 20cm tief. Kein Loch darunter, Glück gehabt.... Glücklicherweise finde ich nach einer Weile doch den Weg und quäle mich die steile Kletterpassage herunter. Je weiter ich nach unten komme, desto mehr klart es auf und dann hört es auch auf zu regnen.
Vom letzten Stück aus sehe ich Sabine mir von unten zuwinken. Geschafft! Ich entspanne mich langsam und fühle mich großartig, ein bisschen wie neugeboren. Ich bin noch eine ganze Weile alleine am Abstieg und die Landschaft überwältigt mich.
Ein großartiger Moment, kaum zu beschreiben.

Endlich zurück an den Rucksäcken (pitschnass vom Regen) lächle ich Sabine und Andre an und sie können gar nicht glauben, dass ich so gute Laune habe! Sie haben sich große Sorgen um mich gemacht. Andre war sogar im Regen noch auf den Gipfel geklettert um mich zu suchen. In meiner "Höhle" habe ich seine Rufe nicht gehört.
Verständlicherweise sind die beiden böse auf mich. Ich versuche mich zu entschuldigen, es misslingt mir aber, da es mir ja eigentlich gerade supergut geht!

Die letzte Stunde Weg zur Kiola Hut lasse ich mich zurückfallen, damit die Stimmung sich nicht noch verschlechtert. Außerdem genieße ich immer noch den "Moment", möchte für mich sein...
Die Landschaft unterstützt meine Stimmung. Es ist kein anstrengender Weg, regnet kaum, nur etwas Sprühregen hin und wieder. Überall stehen rote und gelbe Blumen, als es kurz vor der Hütte durch ein kleines Waldstückchen bergab zur Kiola Hut geht...
 

 

Die Hütte ist im Vergleich zu den vorherigen Hütten sehr einfach und wohl auch etwas älter. Sie ist randvoll. Wir bekommen die letzten 3 Schlafplätze. Es ist eng aber gemütlich nach diesem anstrengenden Tag.
Alle versuchen, ihre feuchten Sachen zu trocknen...

In der Hütte "vertragen" wir uns wieder und freuen uns auf das 18-Uhr-Essenkoch-Ritual. Da alle sehr eng beieinander an einem großen Tisch sitzen, sehe ich zum ersten Mal, was für leckere Sachen viele Leute dabei haben: Käse, Brot, Salami (okay, nix für mich), Kondensmilch, Müsli, Schokoriegel, Nüsse, Chips etc. Pipapo und ein Grüppchen backt sich sogar ein Brot!!!
Irgendwie muss ich wieder Mitleid erregen. Ein Engländer schenkt mir spontan eines seiner Nudelgerichte (13 Dollar aus dem Campingladen!!!), da er angeblich viel zu viel dabei hat und es nicht weiter tragen möchte.

Wir beschließen, am nächsten Tag eine Hütte (Windy Ridge Hut, klingt eh nicht sehr einladend...) zu überspringen, die Sitetrips wegzulassen (eh nur kleine Wasserfälle...) und in 5-6 Stunden direkt zur Pine Valley Hut zu laufen, von wo aus wir dann am darauf folgenden Tag 2 längere Ausflüge ins "Labyrinth" und auf den "Akropolis" machen wollen.

Gehen 21:30 Uhr wird es dunkel und alle gehen wieder gleichzeitig ins Bett, wie eine große (stinkende) Familie.


Tag 5

Am nächsten Morgen ist leider keine Wetterverbesserung in Sicht.
Es ist und bleibt sehr wechselhaft. Einen Moment Sonne, dann wieder Schauer, wieder Sonne...
Wieder habe ich kein richtiges Frühstück.
Wir brechen recht früh auf, da wir einen langen Tag vor uns haben. Eine Stunde später muss ich meinen letzten Müsliriegel essen, um nicht zu verhungern
Es geht bergauf bergab durch Wald, der Boden ist rutschig, man muss auf Wurzeln aufpassen, vor allem bergab. Schnell schwitze ich unter meinem dicken Pulli, doch es ist zu kühl im Wald ohne ihn ... Zwickmühle...

Die Abzweigungen zu den Wasserfall-Sitetrips beachten wir nicht weiter, auch nicht die zur Cane Hut, an der wir nach ca. einer Stunde vorbeikommen. Nach weiteren zwei Stunden kommen wir etwas erschöpft an der ´Windy Ridge Hut' an, wo es sich die 11er Schulklasse schön gemütlich gemacht hat. Ebenso die 2 Opis, die wir seit Anfang an immer wieder treffen.
 

 

Es ist gerade mal 12 Uhr und ich frage mich, was die da wohl den Rest des Tages machen wollen... Karten spielen?? Egal, nach einer Gemüsebrühe verabschieden wir uns von den Opis und den Schülern und brechen zur nächsten Hütte auf.
Gott sei Dank regnet es nicht, die Sonne schaut hin und wieder durch die Wolken. Der Weg ist sehr einfach, kaum bergauf oder -ab, um uns herum Bäume, Blumen, Wiesen. Nicht mehr so spektakulär wie in den ersten Tage, aber immer noch sehr, sehr schön!

Nach ca. 1.5 Stunden erreichen wir die Abzweigung zum Pine Valley.
Der Weg führt uns nun über interessante Brückenkonstruktionen, Moorland und am Ende durch wunderschönen Regenwald und dann nach weiteren 1.5 Stunden zur ´Pine Valley Hut'.

Die Hütte ist sehr gemütlich und es sind nur 4 andere Leute da, alle aus Melbourne, die für 4 Tage nur auf dieser Hütte sind, um von dort aus die Umgebung zu erkunden. Einer ist Fotograf und sucht gute Fotomotive.
 

 

Da sie für 4 Tage nur an einem Ort sind, haben sie ohne Ende leckeres Essen dabei und anscheinend erwecke ich wieder Mitleid, denn Augenblicke nach unserer Ankunft futtere ich M&Ms und trinke Kaffee ... YEAH!!!

Im Laufe des sehr netten Abends stellt sich heraus, dass einer der vier arbeitsloser Priester ist, Germanistik studiert und in Köln seine Magisterarbeit geschrieben hat. Als ich sage, dass ich aus Oldenburg komme und nicht erwarte, dass er das kennt, fragt er mich "Oldenburg an der Hunte?" und ich bin erstmal sprachlos. Er hat auch dort Bekannte und war erst letztes Jahr dort zu Besuch. Die Welt ist klein....

Da es doch relativ kühl in der Hütte ist, schmeißen wir den Kohleofen an, was ab unter 10 Grad erlaubt ist... Okay es waren 12 Grad, also fast ...
Zum Abendbrot gibt es heute das geschenkte Nudelgericht für 13$. Sooo toll ist es aber nicht. Ich haue viel Salz und Pfeffer drauf (danke Andre!). Es ist jedoch reichlich und ich bin zum ersten Mal seit 5 Tagen richtig satt!

Im Laufe des Abends kommen noch 2 Deutsche an, sowie ein Holländer, mit dem Sabine ursprünglich den Track machen wollte, der dann aber wegen eines Jobs absagen musste.

Der Holländer hatte unsere fünf Tagesstrecken und drei Tagen zurückgelegt und da er ebenfalls noch viel essen hatte und ich wohl immer noch mitleidig aussah, hatte ich schnell ein Nutellabrot in der Hand.

Die vier Melbourner versorgten uns dann noch mit Tee und Mousse-au-Chocolat Pulver (!!!!!!!), so dass ich beim Zubettgehen dann wirklich randvoll war.


Tag 6

Trotz Kohleofen ist die Nacht wieder recht kühl. Morgens erwartet uns leider wieder Sprühregen. Da keine Frühaufsteher in der Hütte sind, schlafen wir alle recht lange (bis 8?) und brechen nach dem Frühstück trotz Sprühregen auf ins "Labyrinth", einem Plateau neben der Akropolis (das ist ein Berg)., die wir wegen dem Wetter wohl doch auslassen, wahrscheinlich sieht man von oben eh nicht viel....

Der Weg führt uns sehr, sehr steil erst durch Regenwald mit rutschigen Wurzeln, dann über steinige Kletterpassagen in insgesamt ca. einer Stunde hoch zum Plateau. Oben erwartet uns Wind, Regen und ein bisschen Nebel. Trotzdem ist es wunderschön! Schöne Orte sehen halt bei jedem Wetter gut aus und wenn man Regen als normalen Teil der Natur begreift, kann man auch Regentage genießen, auch wenn es anstrengend ist.

Der Weg führt vom Plateau hinunter zu zwei Seen. Wir sehen jedoch keinen Zwang, dort hinunter zu gehen und laufen stattdessen zurück zur Hütte. Ich stärke mich kurz (letzte Gemüsebrühe), wir verabschieden uns von den netten Melbournern und brechen auf zur letzten Overland Track Hütte: Narcissus Hut am Lake St. Clair.

Der Weg dorthin ist einfach und relativ unspektakulär. Es geht durch offenen Wald und Buttongrass mit Duckboards.
 

 

Als wir nach ca. 2-3 Stunden an der Hütte ankommen, beginnt es in Strömen zu regnen. Wir haben also Glück, sehen dem nächsten Tag jedoch unfreudig entgegen:
5 oder 7 Stunden (langer oder kurzer Weg...) um den Lake St. Clair herum zurück zum Visitor Centre. Bei dem Wetter sicherlich kein großer Spaß. Zudem besteht die Möglichkeit, für 20 Dollar pro Nase ganz einfach ein kleines Fährboot zu nehmen, irgendwie ja doch sehr reizvoll. Die nächste Fähre würde am nächsten Morgen um 9:30 Uhr fahren (Fähren fahren täglich um 9:30, 13:00 und 15:30 Uhr) und die meisten Leute in der sich so langsam füllenden Hütte scheinen diese Fähre zu nehmen.

Okay, da in der Hütte ein Funkgerät zum reservieren der Fähre ist, lassen wir uns die Wettervorhersage durchgeben: "Rain Rain Rain, possibly thunderstorm and blizzard!!!!"


Wir müssen nicht lange überlegen und buchen die Fähre. Somit ist schlagartig klar, dass der Track nun für uns zu Ende ist und irgendwie sind wir doch alle erleichtert und freuen uns auf eine Dusche und Pizza, Bier und richtigen Kaffee.

Den Rest des Abends spielen wir Karten. Es regnet ohne Pause.
Erschöpft ist um 21:30 Uhr wieder Schlafenszeit.


Tag 7

Wir packen unsere Sachen.

Ich koche mir mit einem benutzten(!) Teebeutel einen Tee (ja, so tief sinkt man...) und wir schlagen die Zeit bis zur Abfahrt der Fähre tot.
Die Wettervorhersage scheint zu stimmen: Es regnet, regnet, regnet.

Wir sind die Letzten in der Hütte und sind etwas sprachlos, was die Leute hier für einen Dreck hinterlassen haben. Brav kehren wir alles zusammen und nehmen sogar den Müll in einer Tüte mit uns...

Die Fähre verspätet sich um 20 Minuten wegen schlechter Sicht auf dem See und wir müssen im Regen an der ungeschützten Anlegestelle warten.
 

 

Nach etwas merkwürdigen Anlegemanövern (sah ein bisschen so aus, als ob der Captain betrunken wäre...) legt die Fähre an und wir kommen endlich ins trockene.

Auf dem See gibt das Boot richtig Gas und in ca. 30 Minuten geht es über die Wellen hüpfend zur anderen Seite, dem Visitor Centre.

Jubelnd gehen wir an Land und ohne Umwege direkt ins Café. Ich bestelle ein Stück Kuchen und "Bottomless Coffee" (Kaffee bis zum abwinken) und wir "begießen" unseren Track.
Noch schnell ein xmas Card Motiv gemacht und dann fahren wir direkt weiter nach Hobart, um uns dort am Abend die Bäuche in einem Restaurant mit Pizza und Bier vollzuschlagen.

Overland Track - ein MUSS, falls ihr mal nach Tassie kommt!!!!
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Alles wird gut


©  Fotos: Matthias Grallert